Wie ich eine Swan 65 aus dem finnischen Niemandsland in die Niederlande begleite und dabei in eine völlig neue Segelwelt eintauche.
Die Überstellung einer neuen Swan 65 von Jakobsstad in Nord-Finnland nach Ijmuiden in den Niederlanden war ein spannender Auftrag für mich! Ich durfte die Fabrikationsstätte für diese unglaublich qualitätsvollen Boote kennen lernen und die allererste Swan sehen, die je gebaut wurde, die 36er „Tarantella“.
Ich bin vorbei an den endlosen Nadelwäldern der subartkischen Taiga, an Landschaften, in denen überall Bäume und Wasser ineinandergreifen und es Boote ohne Ende gibt. Es ist fantastisch da!
Zunächst ist es ja verwunderlich, dass so eine Edel-Werft so weit nördlich steht. Das liegt daran, dass die Schweden, die einst mal Kolonialmacht waren, dort Bäume für ihre Kriegsschiffe geschlagen und diese dann auch gleich hier gebaut haben. So entstand die Schiffsbau-Tradition an diesem Ort im finnischen Niemandsland. Heute werden hier nicht nur die Yachten von Swan, sondern auch jene von Baltic Yachts gebaut. Es empfängt dich eine riesengroße Werfthalle mit zwei, drei, vier Schiffen, kaum eines kürzer als 60 Fuß. Auch 100 und 120 Fuß große Yachten stehen hier, die Swan 65 nimmt sich da schon eher klein aus.
Das Schiff ist auch für mich neu, ich bin noch nie auf einer Swan gesegelt. Es ist von Anfang an klar, dass sich mir die äußerst komplexe Bootstechnik noch nicht ganz erschließt. Deswegen ist ein Bootskapitän an Bord, der die Technik stets im Griff hat, von Anbeginn an bei der Konzeption dieser Yacht dabei war und deshalb ganz genau weiß, wo welche Teile der tausend technischen Systeme an Bord wie ineinander greifen. Das ist versteckter Hightech – nach außen wirkt das Boot sehr aufgeräumt. Noch dazu ist die Swan 65 ein wunderschönes, sehr ästhetisches Boot! Mit der normalen Standard-Segelwelt hat das aber nicht mehr viel zu tun.
Am 12. August legen wir in südlicher Richtung ab, mit perfekten Bedingungen, und segeln in die Nacht hinein, die gar nicht wirklich Nacht werden will. Wir sind soweit nördlich, dass es auch jetzt noch kaum dunkel wird. Es ist spannend zu erleben, wie die folgende Nächte immer dunkler werden, je weiter südlich wir kommen, je wärmer es auch wird. Du spürst nicht nur die unterschiedlichen Klimazonen, sondern auch die abnehmende nördliche Breite am eigenen Körper. Das ist für mich wirklich faszinierend.
Wir sind in einem Rutsch vorbei an Stockholm und Ameland und gehen in Visby auf Gotland an Land, um zu tanken und die Insel mit seinen wunderschönen Kalk- und Kreidefelsen zu erkunden. Visby ist ein romantisches schwedisches Sommerstädtchen mit unglaublich viel Charme, alten Kirchen und Basiliken, mit vielen jungen Leuten, Lokalen ohne Ende und einer – zumindest im Sommer – ausgelassenen Stimmung im historischen Ambiente. Noch dazu erleben wir hier einen traumhaften Sonnenuntergang. Ich weiß, viele Sonnenuntergänge sind traumhaft. Aber der hat es wirklich in sich.
Weiter geht es dann – die Schären haben wir ausgelassen – Richtung Bornholm bis nach Kiel, wo wir im so genannten „Millionenbecken“ das zweite Mal die Nacht in einem Hafen verbrachten und einen kurzen Blick auf die Stadt warfen, um dann zum Nord-Ostsee-Kanal zu fahren.
Weil das Schiff einen Tiefgang von 3,5 Metern hat, müssen wir dort einen Lotsen an Bord nehmen. Mit neun Knoten durchqueren wir den Kanal aber relativ schmerzlos und schnell und kommen dann in Brunsbüttel dann endlich in ein Gezeitengewässer. Auf dem Weg nach Cuxhaven gibt es das erste Mal etwas Regen, eh wir dann raus auf die Nordsee segeln, durch viel Schifffahrtsverkehr und eine tolle Lichterstimmung, begleitet vonRobben, in den Sonnenuntergang hinein. Eine kleine Besonders ist dann Helgoland, wenn es auch weitab liegt; doch zumindest durch das Fernglas war die Insel gut sichtbar.
Nach neun Tagen kommen wir schließlich in Ijmuiden an – der heftige Regen kommt 20 Minuten, nachdem wir dort festmachen. Wir haben also 1.170 Seemeilen lang unglaubliches Glück mit dem Wetter. Und für diese Bedingungen wie diese mit eher leichteren Winden ist die Swan 65 ja auch gemacht. Das ist wohl kein optimales Boot für schwere See, sondern für leichte und mittlere Wind, für Vorwind-Kurse. Dann aber, mit Code 0 und 200 Quadratmeter Tuch zischt das Schiff richtig ab!
Herzlichst,
Euer Clemens