Wir haben „Ocean Life 1“ von den Niederlanden nach England überführt. Von Lemmer ging es vorbei an Amsterdam durch den Ärmelkanal bis nach Southampton
Am ersten Tag fuhren wir von Lemmer am Ijsselmeer in die Sixhaven Marina, die im Zentrum von Amsterdam liegt – dafür allein waren schon mal drei Schleusen zu bewältigen. Am meisten hat mir dabei das Aquädukt bei Enkhuizen imponiert, bei dem die Straße unter der Schleuse hindurch geführt wird, so dass man mit dem Boot in einem betonierten Kanal über der Straße fährt.
Am zweiten Tag ging es über Ijmuiden hinaus auf die Nordsee, dann in südlich Richtung Rotterdam, wo wir einen Techniker von B&G konsultieren mussten: der Autopilot war ausgefallen. Mit einer Reparatur hätten wir aber einen ganzen Tag verloren, deswegen entschieden wir am Ende, einfach ohne Autopilot weiter zu fahren. Weil der Wind aber aus Südwest kam und so direkt auf unserem Bug stand, mussten wir leider erst einmal relativ viel motoren. Erst als es in die Nacht hinein ging, kam Wind auf und wir konnten auch etwas segeln. Wahnsinnig beeindruckend war die Vielzahl von Frachtern und Kreuzfahrtschiffen, die vor Rotterdam auf Reede liegen – aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Situation gibt es hier ja gerade sehr viele Überkapazitäten.
50 Riesenschiffe lagen da, fast bis in die Mitte des Ärmelkanals hinein, zum Teil mit Crew an Bord, auch die Maschinen liefen, doch die Frachträume waren leer, wie man an der Wasserlinie sehen konnte. Nachts hatten wir dann sehr viel Funk-Konkakt mit den Frachtern, die noch im Ärmelkanal fuhren, weil wir auf unserem Schiff nur ein passives AIS haben, das empfängt, aber nicht sendet. Über Funk haben wir deshalb immer sichergestellt, dass uns die andere Schiffe auch wirklich am Radar erkennen: wir haben uns stets zu erkennen gegeben und mit den Kapitänen der anderen Schiffe die Routen abgestimmt. Das war wirklich hochprofessionelle Kommunikation, drei der Frachter haben auch extra ihren Kurs für uns geändert. Lediglich von zwei Fischerbooten, die mit uns nicht sprechen wollten oder auch der englischen Sprache gar nicht richtig mächtig waren, kam immer nur ein „I don’t understand“ zurück; sie haben uns ignoriert.
Die Überfahrt ging gleichwohl problemlos über die Bühne und nach 34 Stunden Fahrt kamen wir nördlich von Dover in Ramsgate an – eine wunderschöne Marina, die den Tidenhub von fast sechs Metern mit Schwimmstegen ausgleicht, was ziemlich faszinierend ist. Von Ramsgate ging es dann in Richtung Eastbourne, wo wir mehrere Stunden lang einen „Mayday“ von der Küstenwache empfangen haben: Ein RIB mit 10 Personen an Bord war gesichtet worden, vermutlich ein Flüchtlingsboot, denke ich. Das hat uns doch sehr betroffen gemacht und recht nachdenklich gestimmt.
Die Fahrt nach Eastbourne – entlang der bekannten Kreidefelsen – ist dafür wunderschön; als wir schließlich in die Marina „Sovereign Harbour“ einliefen, war es schon dunkel. Der Hafenmeister hatte aber die Schleuse extra für uns geöffnet, die Marina besitzt eine Doppelschleusenkammer, damit man jederzeit ein- und auslaufen kann. Auch dort liegt der Tidenhub bei imponierenden sechs Metern! Der Empfang war unheimlich freundlich und nett, wir waren sehr froh, dass wir nicht mehr länger warten mussten, bis andere auch schleusen wollten. Überrascht hat uns aber, dass der Hafen komplett leer war! Es tut sich auch da gerade wegen der Corona-Pandemie sehr wenig.
Von Eastbourne sind wir am nächsten Tag dann gleich weiter bis zur Port Hamble Marina in Southampton, weil sich das raue Wetter schon angekündigte. Selbst in der Marina hatten wir noch 30 Knoten Wind, draußen im Solent gab es Böen bis zu 45 Knoten.
So aber haben wir die „Ocean Life 1“ nach 380 Seemeilen entspannt abgeliefert und an unseren Charter-Partner Fairview Sailing übergeben.
Herzliche Grüße
Euer Bernhard