“Aaaabfaaaalleeeeeen, weiter aaabfaaaalleeeeeen!” ruft Thomas so laut er kann, als wir bei knappen 7 Beaufort durch den nächtlichen Solent rasen. Das klingt jetzt aber wirklich dringend.
Wir müssen unbedingt weiter abfallen, um stark genug gegen die Strömung vorzuhalten, die mit etwa 3 Knoten nach West setzt. Wir sind mitten in einer Yachtmasterprüfung und dazu gehört es offenbar, mittes Handpeilkompass und Navigationsplan eine unbeleuchtete Boje nördlich der berüchtigten Bramble Bank zu finden. Diese legendäre Untiefe mitten im Solent ist schon vielen Schiffen zum Verhängnis geworden. Und jetzt gerade sind wir dabei, unter Segeln und auf Vorwindkurs knapp südlich davon vorbei zu jagen. Ein gemütlicher Erholungstörn mit Freunden und Familie sieht anders aus …
Seit etlichen Stunden sind wir bei Starkwind, leichtem Regen und Springtide unterwegs und arbeiten unter der Leitung der beiden Prüflinge Pascal und Thomas, eine gefinkelte Aufgabe nach der anderen ab. Die Ansteuerung in den Beaulieu River haben wir schon hinter uns, genauso, wie die Einfahrt in den Naturhafen des Newtown Rivers. Schon dort musste sich die Crew im Team bemühen, den Transit aus zwei Piles im Lichtkegel unseres Suchscheinwerfers gegen Regen und Wind nicht zu verlieren. Aber mit ruhiger Stimme – auch, wenn sein Inneres wohl bebte – führte uns der Navigator durch das enge Fahrwasser in die sichere Bucht.
Uff – kurze Pause, “put the cattle on”, meinte der Prüfer, Tea and Cookies mussten her um unsere Energiereserven aufzustocken.
Das kann anstrengend sein, kann an den Nerven zehren, kann abenteuerlich und aufregend sein. Vor allem aber ist es eine echte Herausforderung und fühlt sich – bei bestandener Prüfung – an, wie ein Ritterschlag für Skipper. Darauf kann man stolz sein, darauf lässt sich aufbauen. Wenn Thomas genau gearbeitet hat, Strömung und Starkwind richtig berechnet sind und der Steuermann verlässlich die Grundseen abreitet, sollten wir in etwa drei Minuten, wenn die weiter südlich gelegene Westkardinale unter einer Peilung von 145 Grad zu sehen ist, auf den kleinen Special-Marker stoßen. Wie aus dem Nichts zieht plötzlich „Bramble Post“ – unbeleuchteter Pegelmesser und Wetterstation in einem – backbord an uns vorbei. „Gut navigiert Skipper; wir sind auf Kurs!“
Die Stirnlampen leuchten rot auf und die Pflicht ist voll besetzt mit wasserfest in Ölzeug gehüllten Daumendrückern. Die Navigationsskizze in der Hand, behält Thomas den Überblick, obwohl der Wind den Zettel fast aus der Hand weht und der Regen seine Spuren schon darauf hinterlassen hat. Ausgerechnet als die Boje in Sicht kommen sollte, nimmt uns ein tiefgangbehindertes Cargoschiff die Sicht und zwingt uns zum Ausweichmanöver. „Klar zur Halse! – Holt dicht das Groß, center the main, rund achtern, fiert das Groß – über die Fock!“ – die Rufe des Navigators durchdringen kaum das Geheul des Windes in den Wanten und das Rauschen der sich brechenden Fasteinsteiger von Backbord achteraus. Nasse Hände ziehen mit aller Kraft an Schoten, Lifebelts schlagen auf Winschen und Seglerstiefel versuchen, auf dem nassen Deck den Halt nicht zu verlieren. Jetzt gilt es den Kursverlust schnell wie möglich wieder gut zu machen und mit einer erneuten Halse auf den Ursprungskurs zurück zu finden. Augen schützen, der Regen kommt wieder waagrecht und fühlt sich im Gesicht an, wie lauter Stecknadeln.
Wir müssen die Boje jetzt gleich finden. Wenige Meter voraus würde die Tiefe deutlich abnehmen und wir müssten abdrehen um einen Grundsitzer zu verhindern. „Da! Da, daaaa, steu-eeeer-booooord voraus seh ich was, schreit unser Held am Steuer – da ist die Boje, wir haben sie!“
Was sind wir alle happy, das kleine, schwach reflektierende Etwas von einem Special-Marker gefunden zu haben. Give me five, helmsman, give me five, Vorschoter, gut gemacht Skipper! Der Prüfer steckt mit dem Cookie in der Hand unberührt seinen Kopf aus dem Niedergang, leuchtet mit seiner Lampe die Boje an, findet den richtigen Namen darauf und meint lakonisch: „Well done, nice sailing, Tom!“ – Pffffffffffhhhhh – Wie fühlt sich wohl unser Prüfling? Es muss eine Mischung aus Stolz, Befriedigung und Aufregung sein – immerhin ist das Ziel erreicht, es war fordernd, ist aber gut gelungen. Aber was würde nun folgen? Es ist schon 22:30 Uhr, wir sind müde, Arme schmerzen und etwas kühl wird es auch… Bald wird die Prüfung zu Ende sein. Wird sie bald zu Ende sein? Eine spannende Nachtansteuerung mit 2 Sektorfeuern, Böen bis 35 Kn und einem „Preferred Channelmarker“ bringt uns zurück in den River Hamble. Wir legen gegen 2 Knoten Strom und bei immer noch ordentlich Seitenwind sicher längseits am Pontoon an. Thomas macht es noch mal spannend und wählt die schwierigere Variante dafür, hat aber alles im Griff und setzt seinen Plan mutig um. Das letzte Manöver des Tages ist geschafft.
„All right, gentlemen, please take your seat. Would you mind to talk with me through the last few hours?“ Der Prüfer lädt Tom und Pascal nun zum ausführlichen Defriefing ein, die Crew ist hier nicht dabei und eilt schon voraus in das nächste Pub, um vor der „last order“ noch auf die vergangenen Stunden und das Erlebte anzustoßen. Es dauert noch 45 Minuten, bis die detaillierten Feedbacks durchbesprochen und die Hände geschüttelt sind! – Gratulation Tom, Gratulation Pascal, ihr habt in den letzten Stunden eine der schwierigsten Segelprüfungen geschafft und seid bald „Pascal – the RYA/MCA Yachmaster Coastal“ und „Tom – the RYA/MCA Yachtmaster Offshore“.
Southampton Harbour Southampton Water Lots of traffic always keep an eye …
So mega spannend. Ich darf mir garnicht vorstellen wie es ist, wenn ich das Ruder bei der Prüfung in der Hand halten muss.
Aber eigentlich bin ich ja sicher, dass nach dem Kurs nichts mehr schief laufen kann. Also erst einmal die Theorie.
Ja – das war schon spannend. Aber Tom hat das super gemacht. Genauso gut wirst du es dann auch machen liebe Beate. Freu mich schon drauf!
GLG Clemens