So unglaublich genial das Segeln auf einer VO 65 ist, so sehr muss man im Alltagsleben an Bord der „Sisi“ auf wirklich jeden Komfort verzichten und auch mal seine Schamgefühle vergessen. Die Mahlzeiten kommen fast alle aus der Tüte. Trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen würde ich allen empfehlen, sich dieses Erlebnis einmal zu gönnen. Das ist eine supertolle Erfahrung – und auch leicht möglich.
Lasst uns erstmal übers Essen reden! Das ist auch an Bord eines VO 65 immer ein großes Thema. Weil auf so einem Hightech-Renners an allem gespart wird, was irgendwie Komfort und also mehr Gewicht bedeuten könnte, gibt es natürlich auch nur eine Mikro-Küche. Sie besteht aus zwei Töpfen, die kardanisch aufgehängt sind und das Zentrum eines genau einen Quadratmeter großen Küchenbereichs bilden. Mehr Platz zum Kochen und Abwaschen ist auf diesem 65 Fuß großen Schiff nicht, und mehr Ablagefäche hat diese Kombüse auch nicht. Daneben gibt es noch eine Salzwasserpumpe, um das Geschirr grob zu spülen, und natürlich eine Frischwasserpumpe für Kaffee, Tee und eben das Kochen.
Man kann in dieser Küche aber eigentlich nur Wasser heißen machen.
Mehr braucht es aber auch nicht. Deshalb gibt es hier weder Schneidbretter noch scharfe Messer oder Zwiebeln in einem Schapp: die bei Fahrtenseglern übliche Küchenausrüstung fehlt hier vollkommen. Kochen an Bord eines VO 65 sieht also so aus: Während das Wasser heiß wird und man sich an das Rohrgestänge klammert, um bei all der Krängung nicht umzufallen, sucht man sich aus der Nahrungsmittelbox schnell eine Tüte mit Trockenpulvernahrung aus, auf die man heute eben Lust hat. Und das wichtigste (und schwierigste): Sich trotz des Geschaukels am Ende nicht das heiße Wasser über die Finger zu schütten. Klingt nach einer Binsenweisheit. Ist aber eine Herausforderung!
Nach acht Minuten ist alles durchgegart und man kann essen. Die Geschmacksrichtungen in den Plastiktüten sind übrigens ganz verschieden. Eigentlich! Es gibt Spaghetti und Gulasch, asiatische Reisgerichte oder Kartoffelsuppe. Das klingt vielfältig. Aber nach eine paar Tagen ist es – ehrlich gesagt – dann doch immer wieder dasselbe. Nach dem Essen fühlt sich alles irgendwie gleich an. Aber ein Beutel hat 600 Kalorien – und das ist es, worauf es am Ende hier ankommt.
Hier braucht man zum ultraschnellen Segeln aber auch viel Energie! Zumal man sich in den ersten Tagen, wenn man noch nie auf so einem Boot mitgefahren ist, auch ständig irgendwo den Kopf oder das Knie anschlägt. Mit der Zeit lernt man aber, wie in einem Hochseilgarten von außen nach innen runter zu klettern und sich von der Küche durch die Carbonhöhle ins Vorschiff durchzuschlagen.
Einen Salon, in dem man zum Essen sitzen könnte, sucht man übrigens vergebens. Es gibt nur Rohrkojen zum Schlafen, aber keinen Sitzplatz auf dieser VO 65. Oben in der Plicht wäre zwar schon Platz, aber auch da gibt es nicht mal ein Polster, auf dem man beim Essen sitzen könnte. Man kann nur kurz auf dem harten Rand neben den Winschen Platz nehmen – da wäre man aber der Crew im Weg. Also kauert man sich meistens unten in eine Ecke, um dort schnell was zu sich zu nehmen. Es geht hier beim Essen nur um die reine Nahrungsaufnahme, um bloße Energiezufuhr. Nicht um mehr.
Auch auf der Toilette muss man auf allen Komfort verzichten. Sie besteht aus einer kardanisch aufgehängten Kloschüssel aus Carbon, die nur durch einen Sichtschutz vom Rest des Bootes getrennt ist. Hier im Gleichgewicht aufs Klo zu gehen ist schon eine artistische Herausforderung.
Und man muss sämtliche Schamgefühle abbauen: Man ist nicht der Einzige ist, der mitbekommt, dass man gerade auf dem Klo hockt; das ist eben so. Irgendwann beachtet man das gar nicht mehr. Das eine oder andere Hinterteil wird aber auch einfach mal durch die Relingsdrähte nicht hinten raus gestreckt. Und keinen interessiert es…
Ohnehin sind maximal 40 Prozent des Bootes unter Deck für die Crew da, eigentlich eher nur das hintere Drittel. Alles, was jenseits der kleine Küche liegt, ist reiner, riesiger Stauraum – für Lebensmittel, für Segel, für Leinen. Allein die sind kilometerlang!
Die Beleuchtung ist auch meist schwach in dieser schwarzen Carbonhöhle.
Und weil man die andere Hälfte der Crew nur ganz selten erlebt, muss man den Kontakt zu ihnen schon aktiv suchen, um Sozialkontakte zu pflegen. Man sitzt ja nicht zum Essen beisammen. Hier ist eben alles ganz anders als auf Fahrtentörns – das Leben an Bord ist auf nur möglichst schnelles Segeln ausgerichtet.
Und wie das funktioniert: erzähle ich Euch im nächsten Teil des Blogs!
Herzliche Grüße,
Euer Clemens
P.S.: Wer jetzt auch mal selbst auf der „Sisi“ segeln will: Man kann sich hier beim Austrian Ocean Race Project als Mitsegler einbuchen.