Ein ganzes Jahr lang konnten wir nicht in England trainieren. Jetzt kommt die Aufbruchstimmung zurück. Und alle Skipper haben die schwerste aller Prüfungen bestanden.
Es ist ein bisschen wie mit dem Schmetterling, der aus seinem Kokon schlüpft. So zumindest kam es mir jetzt vor, als ich wieder in England war. Wir haben ja wegen der Pandemie lange Zeit gar nicht im Solent trainieren können – ein ganzes Jahr, wenn man es genau betrachtet. Im September war ich dann erstmals wieder in England. Und was soll ich sagen? Es war super! Es war wunderbar! Es war so gut, zu spüren, wie positiv die Stimmung war, zu sehen, wie die Menschen aufs Wasser drängen. Es war so gut, zu sehen, welche Freude die Menschen haben, wieder ihrem Hobby nachzugehen, zu merken, wie die Wassersportbranche wieder boomt, zu fühlen, dass alles wieder aufs Wasser drängt. In den Marinas herrscht reger Betrieb, auf dem Wasser sind lauter Schiffe und viele Segelschulen unterwegs. Die Leute waren freundlich und froh, uns wieder begrüßen zu dürfen. Die Wirtin unseres Stammlokals beispielsweise meinte zu mir: „Ihr seid wieder da, die Welt ist wieder in Ordnung“. Die Pandemie lag vorher wie eine eisige Klammer über Land und Leuten. Jetzt löst sich das.
Teilweise mehrfach aufgeschobene Törns unserer Kunden fanden endlich statt. Endlich können wir wieder unserem Kerngeschäft nachgehen und Menschen auf ihrem Weg zum souveränen Skipper unterstützen, endlich können wieder Prüfungen abgenommen werden, auf die Skipper lange hingefiebert haben. Manche mussten ja ein dreiviertel Jahr warten! Dabei waren wir jetzt quasi ungeplanterweise im September im Solent. Denn das waren alles Nachholtörns aus dem vergangenen Jahr – und alle meine Prüflinge haben die schwerste aller Segelprüfungen bestanden! Ich war vier Wochen mit vier verschiedenen Crews drüben in England, wir hatten sechs Prüfungen bei zwei verschiedenen Prüfern. Es war intensiv, es war aufregend, es war spannend, aber die Prüflinge haben ihr Maximum gegeben. Andererseits haben die Prüfer auch viel verlangt, aber das kennt man schon von der RYA-Prüfern. Einer der Prüflinge hat mir nachher erzählt, er habe immer gehört, das Feedback nach so einer Prüfung sei so detailliert, so intensiv, aber auch so wertschätzend – er habe das aber immer nicht glauben können. Und siehe da, es war wirklich so! Die Leute sind zufrieden, und sagen uns das auch, wie man hier nachlesen kann, und das motiviert uns.
Ja, es war gut zu sehen und zu spüren, dass so eine Aufbruchstimmung herrscht. Es ist aber auch einiges anders geworden. Manche Shops, manche Pubs haben die Pandemie nicht überstanden, genauso wie in Deutschland oder Österreich auch, andere Betriebe wiederum sind aus allen Nähten geplatzt. Und es gibt auch in England gerade einen Mangel an Personal in der Gastronomie.
Als Biologe kann ich im Solent aber auch eine ganz klare Veränderung der Tierwelt feststellen. Ich hab da noch nie so viele Meeressäuger gesehen wie diesen Herbst! Gleich an mehreren Stellen konnten wir regelmäßig Robben beobachten, was früher eine totale Ausnahme war, da sah man höchstens mal eine verschreckte Robbe, die sich dann schnell versteckte. Diese Corona-Pause hat der Tierwelt Gelegenheit gegeben, tatsächlich wieder zurück zu kommen. Für den Solent kann ich bestätigen: Es hat sich etwas verändert, nicht nur die Zahl der Meeressäuger ist größer geworden, sondern auch die der Rast- und Zugvögel.
Jetzt bin ich fast schon auf dem Weg zum nächsten Törn. Ab dem 24. Oktober bin ich nochmal zwei Wochen im Solent, mit sechs Crews auf drei Schiffen. Das wird bestimmt genauso intensiv. Und genauso erfolgreich!
Herzlichst,
Euer Clemens